Die Geschichte des Zuckerkonsums ist lang und faszinierend. Vor 10.000 Jahren bauten Menschen erstmals Zuckerrohr an. Die reichhaltige Pflanze diente vor allem als Energielieferant. In der Spätantike entwickelte sich Zucker zum Luxusgut der Reichen und Mächtigen. Erst die Industrialisierung machte den süßen Rohstoff auch für die breite Bevölkerung erschwinglich. In den letzten Jahrzehnten ist der Zuckerkonsum weltweit stark angestiegen. Die Folge: Immer mehr Menschen sind übergewichtig und leiden an Krankheiten wie Diabetes, Gelenkschäden oder Herzproblemen. Eine Analyse.
Zucker ist heutzutage allgegenwärtig. Wir finden ihn in beinahe allen verarbeiteten Lebensmitteln – häufig als einer der Hauptbestandteile. Zur Adventszeit ist der Zuckerkonsum in der Regel besonders hoch. Lebkuchen, Dominosteine, Marzipan oder Punsch sind Verlockungen, denen nur die wenigsten Menschen widerstehen können. Grund dafür ist ein uralter Mechanismus.
Unsere Vorliebe für Süßes ist angeboren
Die Vorliebe für Süßes ist uns in die Wiege gelegt. Von frühster Kindheit an sehnen wir uns nach süßen Speisen und Getränken. Wissenschaftler konnten dies bei einem Experiment feststellen, bei dem sie Säuglingen Wasserlösungen mit unterschiedlichen Aromen gaben. Die Reaktionen waren stets dieselben: Schmeckte die Lösung bitter, verzogen die Neugeborenen das Gesicht, schmeckte sie sauer, schürzten sie abwehrend ihre Lippen. Die süße Lösung begrüßten die Säuglinge dagegen mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Ein klares Zeichen dafür, dass Menschen eine universelle Vorliebe für Süßes besitzen. Es verwundert daher kaum, dass Muttermilch süßlich schmeckt.
Viele Wissenschaftler nehmen an, dass diese universelle Vorliebe auf einen Überlebenstrick unserer frühen Vorfahren zurückgeht. Um festzustellen, ob ein Lebensmittel genießbar war, mussten sie sich auf ihre Sinne verlassen. Allerletzte Hilfe im Entscheidungsprozess war dabei der Geschmackssinn. Er fungierte und fungiert noch heute als Sensor für die Genießbarkeit von Nahrung. Unser Körper verlässt sich bei der Entscheidungsfindung auf über Generationen erworbenes Wissen. So schmecken giftige Pflanzen in der Regel bitter und unreife oder verunreinigte Nahrung häufig sauer. Süße Lebensmittel verknüpfen wir hingegen mit Genießbarkeit. Sobald unsere Zunge etwas Süßes wahrnimmt, fühlen wir uns wohl. Biologen konnten beobachten, dass der menschliche Körper endogene Opiate ausschüttet, wenn er etwas Süßes schmeckt.
Zucker als Katalysator für die Entwicklung der Menschheit
Zucker ist einer der wichtigsten Energielieferanten für den menschlichen Körper. Ohne ihn fehlt uns die Energie, um zu atmen, zu denken und um Bewegungen auszuführen. Unser Gehirn benötigt durchschnittlich rund 140 Gramm Glukose am Tag. Sinkt der Blutzuckerspiegel zu weit ab, funktioniert unser Gehirn nur noch eingeschränkt. Im schlimmsten Fall fallen wir ins Koma. Zucker ist daher für Menschen lebensnotwendig.
Unsere Vorfahren nahmen Zucker zumeist über Früchte auf. Der Großteil des Zuckerkonsums beschränkte sich daher auf die Sommermonate. Dies änderte sich, als die frühen Menschen sesshaft wurden. Durch den Anbau von Nahrungsmitteln wie Getreide und Kartoffeln, die reich an Stärke sind, konnten die Menschen ihren Körper ganzjährig mit Zucker versorgen. Stärke besteht nämlich aus langen Ketten von Zuckermolekülen, die der Körper aufspalten und in Energie umwandeln kann. Zudem stieg der Zuckerkonsum durch Obstanbau sowie das Sammeln von Honig wilder oder halbwilder Bienenvölker und schließlich gezielte Imkerei.
Kalifornische Wissenschaftler um Karen Hardy nehmen an, dass die vermehrte Aufnahme von Stärke eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns spielte. Sie sind der Ansicht, dass unsere Vorfahren gegenüber Primaten zwei entscheidende Vorteile besaßen. Zum einen waren Nährstoffe durch das Kochen von Nahrung besser zugänglich. Zum anderen entwickelte der Homo sapiens vier zusätzliche Amylase-Gene, die für die Aufspaltung von Stärke verantwortlich sind. Die Forscher folgern, dass die Erfindung des Kochens in Kombination mit dem Zuwachs an Amylase-Genen zu einer Erhöhung der Menge an für das Gehirn verfügbarer Glukose geführt hat. Dies wiederum sei eine Ursache für den Entwicklungsschub des menschlichen Gehirns.
Die Geschichte des Zuckerkonsums: Energielieferant, Luxusgut, alltäglicher Begleiter
Zucker ist heute allgegenwärtig. Im Supermarkt begegnen wir dem süßen Rohstoff in vielfältiger Form: als Würfel, Pulver oder als Kristalle in den unterschiedlichsten Größen. Gleichzeitig nehmen wir Zucker über verschiedene Lebensmittel wie Früchte, Milch, Süßspeisen, Limonaden oder Getreideprodukte täglich zu uns. Auf diese Weise konsumieren wir in Deutschland pro Jahr im Durchschnitt rund 35 Kilo Zucker.
Unsere Vorfahren konnten von diesen Zahlen nur träumen. Bis zur industriellen Revolution war Zucker ein Luxusgut, das selbst für die gesellschaftliche Elite schwer zugänglich war. Dabei ist die Geschichte der Zuckerherstellung lang. Die Grundlage bildete der Anbau von Zuckerrohr vor rund 10.000 Jahren in Polynesien. Über Asien gelangte die nahrhafte Pflanze nach Persien, wo sie erstmals um das Jahr 600 n. Chr. zu Zucker verarbeitet wurde.
Seinen ersten Aufschwung erlebte der Zuckerkonsum nach der zweiten Amerikareise von Christopher Kolumbus, der Zuckerrohrsetzlinge in die Karibik verschiffte. Binnen weniger Jahrzehnte entstanden in der Karibik zahlreiche Zuckerrohrplantagen. Den Zuckernachschub für die wohlhabenden Europäer, die im 17. Jahrhundert damit begannen, exotische Getränke wie Tee, Kaffee und Kakao mit Zucker zu süßen, sicherten die Kolonisten durch einen menschenverachtenden Dreieckshandel zwischen Afrika (Sklaven), Amerika (Zuckerrohranbau) und Europa (Zuckerraffinerien).
Durch eine unscheinbare Wurzel verlor Zucker im 18. Jahrhundert seinen Stellenwert als Luxusgut schließlich vollends. 1747 entdeckte der Berliner Apotheker Andreas Marggraf nämlich den Zuckergehalt der Runkelrübe. Rund 50 Jahre später schaffte sein ehemaliger Assistent Franz Achard die Grundlage für die industrielle Zuckerproduktion mit dem Bau der ersten Rübenzuckerfabrik in Schlesien. Zudem züchtete der Chemiker die erste Zuckerrübe. Der Siegeszug des süßen Lebensmittels war nicht mehr aufzuhalten.
Die negativen Folgen des erhöhten Zuckerkonsums
Mit der industriellen Produktion fielen die Zuckerpreise inflationär, das einstige Luxusgut entwickelte sich zum Gegenstand des täglichen Bedarfs. Heute nimmt jeder Deutsche durchschnittlich 100 Gramm Zucker pro Tag zu sich. Das ist vier Mal so viel wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Für den Körper bedeutet die Aufnahme von Industriezucker „leere Kalorien“, denn abgesehen vom Energiegehalt liefert Zucker keine essentiellen Nährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe. Die Folgen des enormen Zuckerkonsums für die Gesundheit sind katastrophal. Man nimmt zu viele Kalorien zu sich, sodass das Risiko, Übergewicht zu entwickeln, rapide steigt. In Deutschland gelten derzeit 50 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer als übergewichtig.
Übergewichtige Menschen haben ein erhöhtes Risiko an Krankheiten wie Diabetes, Arthritis oder Herzkrankheiten zu erkranken. Regelmäßiger Zuckerkonsum in hohen Dosen schädigt zudem die Zähne sowie die Leber, irritiert den Magen und zerstört die gesunde Darmflora. Darüber hinaus legen Studien nahe, dass es eine Verbindung zwischen mangelnder Konzentrationsfähigkeit und einem erhöhten Zuckerkonsum gibt. Einige Forscher sind sogar der Ansicht, dass zu viel Zucker das Risiko, an Demenz zu erkranken, erhöht.