Das Wort „Stress“ ist vor allem negativ behaftet. Tatsächlich ist Stress einer unserer größten Antriebskräfte. Die natürliche Reaktion unseres Körpers auf eine Herausforderung lässt sich evolutionsbiologisch erklären: Früher war es überlebenswichtig, auf drohende Gefahren oder Angriffe blitzschnell zu reagieren sowie Hunger und Kälte zu überstehen. Dafür hat unser Organismus ein hochleistungsfähiges System geschaffen, das in Sekundenschnelle ein extremes Potenzial an Energie zur Verfügung stellt und das Reaktionsvermögen stark erhöht. Das Problem: Unser Körper wird heutzutage nur noch selten mit Stressfaktoren wie Kampf oder Hunger konfrontiert. Stattdessen führen Konflikte im Job oder in der Familie zu Anspannung. Fehlen geeignete Ventile, um den inneren Druck abzubauen, gerät der Körper in einen dauerhaften Alarmzustand, der zu ernsthaften körperlichen wie geistigen Erkrankungen führen kann.

Entstehung von Stress

Stress entsteht im menschlichen Körper durch die Ausschüttung bestimmter Hormone. Hierzu gehören: Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol sowie das CRH (Corticotropin Releasing Hormon) und ACTH (Adrenocorticotropes Hormon). Sie sind für die Aktivierung der Alarmfunktionen unseres Körpers zuständig. „Stresshormone“ können im Körper bis zu 24 Stunden verbleiben, bis sie, insbesondere durch Bewegung, wieder abgebaut werden. 

Wissenschaftler fanden heraus, dass es ein sogenanntes Angstnetzwerk in unserem Gehirn gibt. Die wesentlich beteiligten Organe sind die Amygdala, der Thalamus sowie der Hippocampus.

Der Thalamus empfängt die Impulse von außen und filtert sie. Von dort werden die Signale, wenn sie als Gefahrensituation identifiziert wurden, auf zwei unterschiedliche Wege geschickt. Der eine ist eher analytisch; die Situation wird sorgfältig abgewogen und es wird geprüft, ob tatsächlich eine Gefahr droht. Das beansprucht nur circa drei Zehntelsekunden und ist trotzdem für eine Rettungsaktion zu langsam. Der andere Weg ist wesentlich schneller und führt zu einer Zellansammlung im Vorderhirn, dem sogenannten Mandelkern oder der Amygdala. Diese löst eine Blitzreaktion aus, die nur eine Dreiunddreißigstel Sekunde dauert, damit vielleicht lebensrettend, jedoch auch manchmal falsch sein kann. Die Amygdala ist vermutlich verantwortlich für die Einstufung der Gefahrensituation. Zudem bestimmt sie wahrscheinlich, wie lange die durch Stress erzeugte Situation im Hippocampus gespeichert wird.

Typische Stressauslöser

Stress kann sowohl durch innere als auch äußere Reize hervorgerufen werden. Die als potenzielle Bedrohung oder negativ wahrgenommenen Reize lösen die Ausschüttung der Stresshormone aus. Unser Körper reagiert körperlich wie psychisch „gestresst“.

Ob ein Reiz eine Stressreaktion hervorruft, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Während einige Menschen bereits nach dem Verpassen des Busses in Stress ausbrechen, bleiben andere ganz entspannt. Entscheidend für die Einschätzung eines Reizes als Stressfaktor sind vor allem die persönliche Einstellung sowie erlernte Verhaltensmuster. Dennoch gibt es einige Stressoren, auf die viele Menschen mit Stresssymptomen reagieren. Innere Stressfaktoren sind unter anderem:

  • Zu hohe Ansprüche oder Erwartungen an sich selbst
  • Perfektionismus
  • Unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte
  • Zukunftsängste

Stressauslöser, die auf Umweltreize zurückgehen, werden häufig in die drei Kategorien „Persönliche Krisen“, „Familiäre Konflikte“ und „Berufliche Schwierigkeiten“ unterteilt. Typische äußere Stressoren sind:

Persönliche Krisen

Familiäre Konflikte

Berufliche Schwierigkeiten

Krankheit

Doppelbelastung durch Familie und Arbeit, vor allem bei Alleinerziehenden und Menschen, die ihre Angehörigen pflegen

Ungesunde Arbeitszeiten (dauerhafte Überstunden, ständige Erreichbarkeit, Schichtzeit, Pendeln)

Krankheit oder Tod eines Angehörigen

Belastende Familienkonstellationen (Scheidung, Patchwork-Familie)

Leistungs- und Konkurrenzdruck

Finanzielle Schwierigkeiten

Körperliche und/ oder sexuelle Gewalt in der Familie

Angst vor Arbeitsplatzverlust

Körperliche und/ oder sexuelle Gewalt

Langes Getrenntsein von der Familie

Schlechtes Betriebsklima

Ungesunde Ernährung

Über- und Unterforderung

Bewegungsmangel

Mobbing und sexuelle Belästigung

Darüber hinaus können bedrohliche oder „nervige“ Alltagssituationen wie Lärm, Hitze, Kälte, Stau oder Wartezeiten Stress auslösen.

Körperliche Reaktion auf Stress

Steht ein Mensch unter Stress, sieht man dies seinem Körper an: Seine Muskeln sind angespannt. Die Atmung wird kürzer, schneller und flacher. Seine Herzfrequenz steigt, der Blutdruck schnellt nach oben. Er beginnt zu schwitzen.

Weitere Körperfunktionen, die sich in einer Stresssituation ändern, sind:

  • Die Gerinnungsfähigkeit des Blutes ist erhöht, die Blutungsneigung bei einer etwaigen Verletzung ist geringer
  • Die Magen-Darm-Tätigkeit ist verringert
  • Das Immunsystem wird heruntergefahren, die Infektionsgefahr ist erhöht
  • Der Sexualtrieb ist abgeschaltet

Es zeigt sich: Während einer Stresssituation sind alle Aktivitäten des Körpers darauf ausgerichtet, einen Konflikt durch Kampf oder Flucht zu bewältigen. Danach muss der Körper diese wieder herunterfahren.

Chronischer Stress: Körperliche und mentale Folgen

Chronischer Stress oder traumatische Erlebnisse können diese für unsere Gesundheit notwendigen Ruhephasen jedoch aushebeln. Stehen wir unter Dauerstress hat dies häufig ernsthafte negative Auswirkungen auf unseren körperlichen und geistigen Zustand. Sind die Energiereserven erst einmal ausgeschöpft, sinkt die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Auch Gereiztheit, Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme und Bluthochdruck können als Folge auftreten. Im schlimmsten Fall drohen lebensbedrohliche Herzerkrankungen.

Extreme Stresssituationen können sich darüber hinaus negativ auf die einzelnen Bestandteile des Angstzentrums auswirken. So konnten Ärzte bei traumatisierten Soldaten eine Schrumpfung des Hippocampus feststellen. Bei Frauen, die schwere Traumata wie Vergewaltigungen in der Kindheit erlitten hatten, fand man eine verkleinerte Amygdala sowie einen verkleinerten Hippocampus. Betroffene Menschen können Stress oder Ängste häufig nur schwer kontrollieren. Dies trifft auch auf Personen zu, die in ihrer frühen Kindheit vermehrt Stress ausgesetzt waren.

Lösungs- und Vermeidungsstrategien

Unser Vorfahre, der Neandertaler, löste Stresssituationen durch Adaption auf. Er griff das Beutetier an, erlegte und aß es. Danach konnte der Körper befriedigt in den Ruhezustand zurückkehren, alle Stresshormone waren inzwischen wieder abgebaut. Diese Lösungsstrategie greift heute nicht mehr. Der moderne Mensch ist daher auf Alternativen zum Stressabbau angewiesen.

Gut geeignet sind beispielsweise Entspannungsübungen. Denn ist man entspannt, sinken Muskelanspannung, Puls und Blutdruck. Ein Zustand der tiefen Entspannung wirkt sich zudem günstig auf das mentale Wohlbefinden aus. Yoga oder Tai-Chi können dabei helfen, diesen Zustand zu erreichen. Auch Meditation, Entspannungsbäder oder Saunagänge sind vielversprechende Methoden. Ein weiteres Ventil zum Stressabbau ist regelmäßiger Ausdauer- und Kraftsport. Moderates Joggen, Radfahren und Krafttraining, hilft dem Körper, Stresshormone abzubauen. Sowohl Entspannungsübungen als auch regelmäßiger Sport erhöhen die allgemeine Stresstoleranz. Es fällt in der Folge leichter, auch in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren.