Kinder müssen sich auch mal schmutzig machen dürfen! Was der Volksmund längst wusste, ist heute auch wissenschaftlich belegt: Dreck und Schmutz stärken das Immunsystem und bieten so einen optimalen Allergieschutz. Dagegen steht übertriebene Hygiene sogar in Verdacht, das Entstehen von Allergien zu fördern.

Die Lebensweise und heutigen Hygienevorstellungen haben gewissermaßen zu einem sterilen Lebensraum geführt. Das Immunsystem muss sich immer weniger mit Antigenen von bakteriellen, parasitären und viralen Erregern auseinandersetzen. Die Hygiene-Hypothese des Briten David P. Strachan geht davon aus, dass die modernen Hygienevorstellungen das Risiko, Allergien zu entwickeln, erhöhen. Allergische Erkrankungen sind bei Kindern und Jugendlichen das häufigste Gesundheitsproblem. Laut einer Pressemitteilung der Deutschen Haut- und Allergiehilfe von 2019 leiden 4,7 Prozent aller Kinder bis 17 Jahren an Asthma, 10,7 Prozent an Heuschnupfen und 13,2 Prozent an Neurodermitis.

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Der „Bauernhof-Effekt“ mindert Gefahr von Allergien

Strachan stellte fest, dass Kinder besonders in Industrienationen und in den dortigen Großstädten häufiger an Heuschnupfen oder anderen Autoimmunerkrankungen leiden. Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, leiden dagegen seltener an Allergien. Auch in kinderreichen Familien beobachtete Strachan seltener Betroffene von Allergien.

Eine Erklärung für den sogenannten „Bauernhof-Effekt“ liefert ein europäisches Forscherteam um Martin Schuijs von der Universität Gent. Im Fachblatt Science legen die Forscher dar, dass neben den genetischen Faktoren tatsächlich die Lebensumstände Allergien beeinflussen. In Versuchen an Mäusen erwiesen sich Endotoxine als ein entscheidender Faktor. Endotoxine sind von Bakterien freigesetzte Verbindungen, die über die Schleimhäute aufgenommen werden. Die Forscher haben den Tieren zwei Wochen lang täglich die Substanz in niedrigen Dosen verabreicht. Zum Vergleich gab es eine unbehandelte Kontrollgruppe. Anschließend wurden die Tiere beider Gruppen Staubmilben ausgesetzt, die auch beim Menschen allergische Reaktionen wie Asthma auslösen können. Bei regelmäßiger Aufnahme der Endotoxine reagierten die Mäuse weniger stark auf allergieauslösende Faktoren. Ähnliche Ergebnisse gab es, wenn den Tieren auf deutschen Bauernhöfen gesammelter Staub verabreicht wurde. In weiteren Versuchen prüften die Wissenschaftler die Abläufe in menschlichem Gewebe. Die Ergebnisse fielen auch hier ähnlich aus.

Nicht beeinflussbar: Genetische Disposition zu Allergien

Das Leben in ländlicher Umgebung scheint demnach die Gefahr zu mindern, an Allergien zu erkranken. Doch der Bauernhof-Effekt ist nicht der einzige wirksame Allergieschutz. Zwar ist es nicht möglich, seine genetische Anfälligkeit für Allergien zu ändern, eine gesunde Lebensführung kann jedoch das Allergierisiko senken. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) gibt unter anderem folgende Tipps zur Allergievorbeugung heraus:

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  • Aktives und passives Rauchen während der Schwangerschaft, Stillzeit und auch nach der Geburt sind wesentliche Faktoren für Allergie- und Asthmaentwicklung bei Kindern. Daher sollten werdende Eltern das Rauchen unbedingt aufgeben, um die Gesundheit ihres Kindes nicht zu gefährden.
  • Ausschließliches Stillen für vier Monate und das langsame und schrittweise Einführen der Beikost nach Vollendung des vierten Monats sind wesentliche Aspekte bei der Ernährung von Säuglingen, um im späteren Leben Allergien zu vermeiden. Auch potenziell allergene Lebensmittel wie Fisch und Ei dürfen auf dem Speiseplan stehen.
  • Bei Säuglingsnahrung sollten Eltern auf einen reduzierten Eiweißgehalt achten, um Übergewicht zu vermeiden.
  • Eine Diät der Mutter, bei der auf bestimmte Allergieauslöser wie Nüsse verzichtet wird, wird sowohl während der Schwangerschaft als auch der Stillzeit nicht empfohlen.
  • Kann nicht ausschließlich gestillt werden, so steht als Alternative industriell gefertigte Säuglingsnahrung zur Verfügung. Kinder aus Allergiker-Familien sollten dann mit einer Hydrolysatnahrung gefüttert werden.
  • Regelmäßiges Lüften verhindert Schimmelpilzwachstum in Innenräumen und beugt so Allergien vor. Auch die Belastung mit Innenraumluftschadstoffen, wie zum Beispiel Formaldehyd, sollte so gering wie möglich gehalten werden.
  • Empfohlene Impfungen sollten in Anspruch genommen werden.
  • Einige Studien legen nahe, dass Haustiere das Risiko für Allergien bei Kindern senken. Wie genau der Zusammenhang von Tierhaltung und Allergien ist, muss aber noch weiter erforscht werden. Die Empfehlungen lauten aktuell: Die Hundehaltung sei nicht mit einem höheren Allergierisiko verbunden. Für Katzen sei die Studienlage noch uneinheitlich. Ohne erhöhtes Allergierisiko beim Kind bestehen aber generell keine Einschränkungen in der Haustierhaltung.

Fazit: Kinder sollten nicht abgeschottet werden. Sie sollten wieder im Dreck spielen und möglichst früh viele Lebensmittel ausprobieren. Denn in der relativ frühen Lebensphase gibt es ein Fenster bei der Entwicklung für Verträglichkeit. Wer diese Chance verpasst, seine Abwehr in Stellung zu bringen, kann das später kaum nachholen.