Die Lebenserwartung in Deutschland steigt. Doch die Menschen werden nicht nur immer älter, sie arbeiten auch immer länger – und sollen bis zur Rente möglichst gesund, leistungsfähig und motiviert bleiben. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Unternehmen und welchen Beitrag können sie leisten?

2020 werden knapp 27 Prozent aller Menschen im erwerbsfähigen Alter 55 Jahre oder älter sein. Gleichzeitig wird die Gruppe der arbeitenden Bevölkerung schrumpfen. Um auf diesen Mangel an Arbeitskräften zu reagieren, wird die Lebensarbeitszeit stetig steigen. Das zeigt eine Eurostat-Studie, dem Statistischen Amt der EU. Laut einer anderen Umfrage würden viele ältere Beschäftigte ihre Arbeitszeit schrittweise reduzieren und nach dem Renteneintrittsalter noch weiter arbeiten. Daher müssen wir uns noch intensiver mit der Frage beschäftigen: Wie ist es möglich, bis zur Rente und darüber hinaus gesund, motiviert und leistungsfähig zu bleiben? Denn künftig wird unser Wohlstand mehr als bisher davon abhängen, wie sich die Gesundheit der älteren Beschäftigten entwickelt.

Unternehmen investieren in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter

Zum einen sind die Unternehmen gefordert. Die nutzen die Potenziale der Älteren inzwischen schon weitaus stärker als früher. Seit 2005 ist laut Bundesministerium für Arbeit die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter von über 55 Jahren um rund 1,3 Millionen gestiegen. Die Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen weist eine besonders dynamische Entwicklung auf. Ihre Erwerbsbeteiligung hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, egal ob nur die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder die Erwerbstätigkeit insgesamt betrachtet wird.

Doch die Unternehmen müssen noch mehr in die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer investieren. Sie können zum Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter beitragen – etwa indem sie die drei Säulen des betrieblichen Gesundheitsmanagements berücksichtigen:

  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Gesundheitsförderung
  • Human Ressources Management

Schutz vor Berufskrankheiten

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz geht von der Voraussetzung aus, dass Mitarbeiter vor potenziell krankmachender Gefährdung zu schützen sind. Gemeint ist damit nicht nur der Schutz vor Berufskrankheiten oder Betriebsunfällen, sondern auch die Prävention vor Stressfolgen wie etwa:

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  • Zeitdruck
  • Über- und Unterforderung
  • Mangelnde Anerkennung
  • Mangelnder Entscheidungsspielraum
  • Mangelnde soziale Unterstützung
  • Gestörte Kommunikation
  • Fehlende Kompetenz
  • Unsicherheit und Zukunftsangst
  • Team- und Hierarchiekonflikte
  • Ungünstige Arbeitszeitmodelle
  • Belastende Umweltbedingungen

Dieser psychische Stress kann langfristig Krankheiten wie Schlafstörungen, psychosomatische Störungen oder Burnout hervorrufen und gilt als einer der Risikofaktoren für Herzinfarkt. Da psychische Erkrankungen eine der Hauptursachen für vorzeitige Berentung wegen Erwerbsunfähigkeit sind (bei Frauen die häufigste), kommt auch den Unternehmen bei der Prävention und Intervention bei Stress und dessen Folgeerscheinungen eine besondere Rolle zu.

Auch wenn im Übergang von der produktiven Tätigkeit zur Dienstleistungsgesellschaft die körperlichen Belastungen in der modernen Arbeitswelt teilweise abgenommen haben, gehören ergonomische Erkrankungen nach wie vor zu den Hauptursachen für die Frühverrentung, vor allem bei Männern. Auch hier gibt es Möglichkeiten, zur Gesundheit am Arbeitsplatz beizutragen, etwa mithilfe von Betriebsbegehungen, um ergonomischer Defizite festzustellen und zu beheben oder mithilfe von Vorsorgeuntersuchungen.

So können Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern

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Die zweite Säule des betrieblichen Gesundheitsmanagements umfasst die Gesundheitsförderung. Auf den Lebensstil ihrer Arbeitnehmer kann der Betrieb keinen direkten Einfluss nehmen. Aber er kann seinen Mitarbeitern Anreize setzen und Angebote präsentieren, etwa das Management von:

  • Gesunder Ernährung
  • Ausreichend Bewegung
  • Stressbewältigung
  • Verantwortungsvollem Konsum von Genussmitteln
  • Sozialen Beziehungen

Diese Faktoren sind nicht nur von Bedeutung für Wohlbefinden und Gesundheit in höherem Alter, sie tragen auch zur Leistungsfähigkeit und damit zur Arbeitsfähigkeit in zunehmenden Alter bei.

Arbeitsgestaltung und Organisation im Alter

Auch der dritten Säule, dem Human Ressources Management, kommt eine hohe Bedeutung für die Gesundheit von älteren Arbeitnehmern zu. Die Arbeits- und Betriebssituation unterliegt natürlich ökonomischen Zwängen. Allerdings ist eine aktivierende, altersgerechte Arbeitsgestaltung und Organisation wichtig für die Gesundheit der Mitarbeiter. Bezogen beispielsweise auf den entscheidenden Faktor Führung gehören moderne Führungsprinzipien wie:

  • Delegation von Aufgaben und Verantwortung statt Kommando/Sanktionen
  • Das Führen mit Zielen
  • Die Unterstützung von teamorientierten Netzwerkstrukturen
  • Offenheit, Kommunikation, Transparenz, Empathie, Vertrauen
  • Vorbildfunktion
  • Diskussion von Problemen, Mitarbeitergespräche
  • Anerkennung
  • Motivation
  • Qualifizierungsmaßnahmen der Mitarbeiter
  • Flexible und altersgerechte Arbeits- und Arbeitsplatzgestaltung

Um einen Beitrag zur Gesundheit der Mitarbeiter zu leisten, ist für Unternehmen Prävention also unverzichtbar. Die Unternehmen können ihren Beitrag dazu leisten, die Rahmenbedingen zu verbessern und damit die Gesundheit zu fördern.

Genauso ist es wichtig, das öffentliche Bewusstsein zu verändern. Alt darf kein Makel mehr sein, altern ist kein Defizit – wobei auch die pauschale Annahme korrigiert werden muss, dass Intelligenz, Leistungsfähigkeit und Anwesenheitsquote von älteren Arbeitnehmern abnimmt. Eine differenzierte Betrachtung ist sinnvoll. Es stimmt zwar und ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Schnelligkeit der Informationsaufnahme und –verarbeitung im Alter abnimmt. Dagegen sind Expertenwissen, Erfahrung und Notfallkompetenz stärker als bei Jüngeren. Und: Heutzutage sind 60-Jährige oft fitter als Menschen gleichen Alters früher. Zudem ist die Variabilität zwischen einzelnen Berufen und sozialen Schichten höher als die Schwankungen zwischen Altersgruppen.

Es wartet also viel Arbeit.